Liborivortrag 2024 – Reise nach Jerusalem

Jakobusfreunde Paderborn informieren übers Pilgern

Reise nach Jerusalem

von Josef Leifeld

“Reise nach Jerusalem“, so lautete das Thema unseres diesjährigen Liborivortrags. Mit Frieder Löhrer, der sich selbst als Autor und Inspirator bezeichnet, konnte dazu ein ausgewiesener Fachmann gewonnen werden. Wie jedoch kommt ein 67-jähriger Aachener dazu, nach einem bewegten Berufsleben mit Spitzenpositionen in verschiedenen überregional bekannten deutschen Unternehmen, diesen gänzlich neuen Weg einzuschlagen und damit eine derartige Kehrtwendung in seinem Leben zu vollziehen.

Die Gründe haben viel mit Karl dem Großen – Löhrer ist gebürtiger Aachener – und viel mit der Lebensgeschichte des Referenten zu tun. Ausgehend von der Jerusalem-Gasse in Santiago de Compostella – hier begann im Juni 2024 seine dritte Pilgerreise nach Jerusalem – sowie der Tatsache, dass der Jakobsweg Teil der Befreiung von den muslimischen Besatzern in Spanien war – beschäftigt sich Löhrer als Schwerpunkt mit den traditionellen Spannungen der Christen, Juden und Muslime, die er als religiöse Geschwister bezeichnet. Die Betonung des Trennenden führt trotz der überwiegend gemeinsamen Wurzeln zu Konflikten.

Um diesen Kern beleuchtete er in seinem Vortrag aus den Gemeinsamkeiten die Unterschiede an bekannten Geschichten wie “Vater und Sohn gehen auf einen Berg und werden einer Prüfung unterzogen“. Für Juden, Christen und Muslime ist der Kern der Erzählung der gleiche, aber im Detail gibt es große Unterschiede, nicht nur in der Handlung, sondern auch in den handelnden Personen.

Im Jahr 2020 ist Frieder Löhrer die mehr als 6.200 km vom Oktogon des Aachener Doms zum Oktogon des Felsendoms in Jerusalem in 181 Tagen für den Frieden der abrahamitischen Geschwisterreligionen (Christen-, Judentum und Islam) gepilgert. Die Ankunft in Jerusalem erlebte er im April 2022 zur gleichzeitigen Feier von Pessach, Ostern und Ramadan, den drei großen Festen der Geschwister. Dies ist nur alle 33 Jahre möglich.

Der Vortrag beschäftigte sich durchgehend mit der Gegenüberstellung von Orient und Okzident, von Ost und West. Es liegen erklärbare Welten dazwischen, die aus dem besseren Verständnis zum Ausgleich und Heilen zwischen den Geschwistern führen. Karl der Große baute in Aachen seine Kirche, den Aachener Dom, als Abbild des “Himmlischen Jerusalems“, in Form des Oktogons. Als seinen Vertrauten schickte Karl den Juden Isaak zum Kalifen von Bagdad, Hārūn ar-Raschīd. In seiner Antwort verpackte der Kalif seine Botschaft: In Jerusalem steht bereits ein gewichtiges Oktogon: der Felsendom, der erste muslimische Sakralbau aus dem Jahre 691.

An den Begriffspaaren “Wort-Tat“, “Hören-Sehen“, “Ganz-Teil‘ führte Frieder Löhrer die Unterschiede zwischen dem Morgenland und dem Abendland aus, die bis heute wirken. Der Westen ist vom Sehen geprägt, aus der Tradition der griechischen Philosophie. Der Osten ist vom Hören geleitet: große Geschichten, die von Generation zu Generation “wortwörtlich“ weitererzählt wurden. Allein am jüdischen Gebet des “Höre Israel“ ist es sofort hörbar.

Diese Begriffspaare hat Frieder Löhrer auf seinem Weg durch 12 Länder in den Erlebnissen mit den Menschen in den verschiedenen Kulturen in aller Vielfalt erlebt. Die große Hilfsbereitschaft im muslimischen Umfeld, der Blick auf Nächstenliebe und den Samariter an konkreten eigenen Erlebnissen, das tatkräftige Zupacken auf der einen Seite, das tagelange, wochenlange, jahrelange Debattieren auf der anderen Seite, das Bestreben nach Ausgleich.

Aus seinen Ausführungen wurden auch sein Suchen und Ringen hörbar. Wir sind alle auf einem Weg in unserem Leben. Fragen und Aufgaben bewegen uns. Die große Hilfe beim Suchen ist das Licht, damit unser Weg ausgeleuchtet ist, wir nicht im Dunkeln sitzen, stehen oder laufen.

Übrigens: Am Ende einer jüdischen Pessach-Feier – das hat Jesus mit seinen Freunden in Jerusalem als den Christen bekanntes “Letzte Abendmahl“ gefeiert – sprechen alle: nächstes Jahr in Jerusalem. Denn Juden, Muslime und Christen pilgern. Christen nicht nur nach Santiago, Rom und Jerusalem, sondern auch vielfach lokal, Muslime mit der Haddsch nach Mekka. Und Juden pilgerten jedes Jahr dreimal nach Jerusalem, zu Pessach, zu Schawuot und zu Sukkot. Zu Pessach daher der Wunsch: nächstes Jahr in Jerusalem.

Insgesamt ein fesselnder und lebendiger Vortrag mit vielen Innenansichten zu einer langen Fußreise.