Christus von Furelos
Hermann Bauer
Fortsetzung aus Jakobusfreund 35
… 2016 machten wir uns wieder auf den gleichen Weg. Ich wurde öfters gefragt, warum ich nun zum dritten Mal den gleichen Weg gehe, und meine Antwort war, dass ich unbedingt den Christus von Furelos besuchen möchte. Um ehrlich zu sein, muss ich aber auch sagen, dass es 2010 auf dem Weg zwischen meiner Frau und mir zu Unstimmigkeiten gekommen war, die die Pilgerschaft belasteten und wir uns auch deshalb nochmals die gleiche Strecke vornahmen. Wir planten die Anreise mit Bus und Zug so, dass ein Eintreffen in Furelos noch im September bei offener Kirche zu erwarten war. Leider stürzte meine Frau kurz vor der Abreise, und verletzte sich, so dass wir wieder erst später anreisen konnten und wussten, dass unser Eintreffen in Furelos erst im Oktober, also bei geschlossener Kirche sein wird. So fertigte ich schon zu Hause Fragen in Spanisch, wer mir evtl. helfen könne, den Christus zu sehen.
Wir näherten uns Furelos, das in einem Tal an einem Fluss liegt. Inständig bat ich den Christus, es möge doch eine Situation sein, die mir den Zugang zur Kirche ermöglicht. Ja ich dachte auch daran, dass vielleicht eine Beerdigung und die Kirche geöffnet sein könnte. Die Kirchentüre an der Südseite war verschlossen und auch der Zugang an der Kirchenmauer im Westen. Einheimische konnten mir nicht weiter helfen. Auf meine Zettelfragen erntete ich nur ein Kopfschütteln. In meiner Not ging ich zur Rückseite der Kirche. Es hätte ja sein können, dass sich dort ein Mesner oder sonst wer in dem umfriedeten Kirchenbereich aufhält. Niemand war zu sehen. Nur an der Ostseite der Kirche waren Pferde von Pilgern auf Rast.
Da fiel mein Blick von meiner erhöhten Position auf das rückseitige Kirchenfenster. Ich wusste, dass man durch dieses Fenster auf das Kirchenschiff hinab und auf den an der gegenüber liegenden Wand hängenden Christus werfen kann. Was ich brauchte, war nur eine ca. vier Meter lange Leiter, um die Kirchenmauer zu überwinden und zum Fenster hochsteigen zu können. Wo ist eine Leiter? Ich läutete am Haus daneben. Niemand öffnete. Ich ging zum zweiten Haus und klingelte erfolglos. Als ich mich an der Türe umdrehte fiel mein Blick auf den erhöhten Grasrand vor einem Gemüsegarten und auf eine dort liegende Leiter; wie für mich hingelegt in passender Länge, in einem Abstand von vielleicht 20 Meter zum Kirchenfenster.
Ich nahm die Leiter auf, kletterte damit über die Kirchenmauer und lehnte die Leiter an, sie reichte genau bis zum Kirchenfenster. Ich stieg hoch. Im Glas des Kirchenfensters war von oben bis unten ein Spalt mit ca. einem Zentimeter Breite und ich durfte, ohne dass etwas dazwischen gewesen wäre, durch diesen nach unten auf die gegenüber liegende Wand, im Halbdunkel der Kirche, auf den Christus von Furelos blicken und zu ihm beten. Das war für mich ein unbeschreiblich berührender Moment und man hätte mich zu dem Moment wohl mit keinen 10 Pferden von der Leiter heruntergebracht.
2017 führte uns unsere Wohnmobilreise wieder nach Nordspanien zum Wallfahrtsort San Andres de Teixido, an der Küste nach Süden zur Anlandungsstelle von Santiago (so die Legende) und natürlich zum Christus von Furelos, wo wegen Erkrankung einer Aufsichtsdame die Kirche wieder geschlossen war. Am nächsten Tag war aber eine kurze Öffnung wegen des Sonntagsgottesdienstes. In Furelos führte mich der Weg sofort zum früheren Liegeplatz der Leiter. Diese war nicht mehr zu sehen!!!
Am Tag vor meinem Erleben erzählte uns in Portmarin der damals 80-jährige Mitpilger, Pfarrer Karl, dass er den Film “Brot und Wein”, der die Geschichte eines Waisenknaben, der in einem Kloster Aufnahme findet und dort sein Gotteserleben hat, so gerne anschaut.
Ich will jetzt mein Erleben nicht als Wunder bezeichnen -aber ein kleines ist es für mich schon. Ich glaube fest daran, dass es mein Christus von Furelos so gefügt hat. Es gab seit dieser Zeit, wohl wenige Tage, wo meine Gedanken nicht bei ihm gewesen wären.
Ein Bild von ihm hängt in großer Ausfertigung eingerahmt in meinem Schlafzimmer neben der Türe. Wenn ich bei Helligkeit aufwache oder den Raum verlasse, fällt mein Blick auf den Christus.
